Wir können uns unschwer einen Stuhl ohne Tisch vorstellen, aber einen Tisch ohne Stuhl? Doch es sind „eigenständige Objekte, die einander zwar nicht bedingen aber in ihrer Funktion ergänzen.“ /1
Mit dieser Idee spielte der Entwurf des Künstlers Erwin Heerich für Rosenthal. Auf einer nahezu quadratischen Grundfläche verbinden sich die vier senkrechten an den Eckpunkten aufliegenden Tischbeine mit vier tiefliegenden Querstreben. Mit dieser Basis verweigert sich der Tisch der weiteren Ergänzung. Indem Erwin Heerich in der Kastenkonstruktion der Tischplatte ein überraschendes Schubladensystem versteckte, eröffnete er einen Zugang zur Architektur des Objekts.
Als Otl Aicher in den 1970er Jahren an einem Tisch-Entwurf für den individuellen Gebrauch arbeitete, galt neben der Einfachheit von Material und Konstruktion der Höhe sein besonderes Interesse. Der Tisch sollte sich der Körper- oder vielleicht noch treffender der Sitzgröße anpassen, was heute beim Anblick der dazugehörenden Stühle dazu führt, diese zunächst für eine Sesselgruppe zu halten.
Womit wir bei einem Argument der Ergänzung von Tisch und Stuhl angekommen sind, der eine entlastet Arme und Hände, der andere Beine und Füße.
Ferdinand Kramer entwarf Ende der 1950er Jahre im Rahmen seiner Tätigkeit als Frankfurter Universitätsbaudirektor eine Serie von Tischen aus Metall. Die Konstruktion wirkt schlank und schlicht. Mit dem hier gezeigten Modell stattete Ferdinand Kramer die Mensa der Universität Frankfurt/Main aus. Je nach Position waren die Tische mit zwei oder drei Stühlen angeordnet. /2 Dieser Entwurf zeigt exemplarisch Kramers sozialorientierten, systemischen Ansatz, den er bereits in den 1920er Jahren mit den Entwürfen der Typenmöbel verfolgte.
Peter „Wiggleworth definiert die Rigidität seiner Möbel als Ergebnis gegenseitiger von Form und Funktion, zweier untrennbar miteinander verbundenen Größen. Dabei geht es nicht nur um die elementare Funktion eines Tisches als Arbeits- und Ablagefläche,...der Begriff Funktion ist wesentlich weiter gefasst und beinhaltet vor allem die Beziehung, die zwischen Architektur und Einrichtung entsteht – und eben funktionieren sollte.“/3
Die schiere Unmöglichkeit etwas zu finden, was der Vorstellung von Klarheit und Einfachheit entsprach, motivierten den Künstler Katsuhito Nishikawa zu seinen ersten Einrichtungsgegenständen. „Beim Entwerfen von Möbeln orientiere ich mich sehr stark an der Funktion. Die unterschiedlichen Entstehungsprozesse münden letztlich aber in einem Ganzen. Mich darauf einzulassen, ist das, was das Künstlersein so vielfältig und interessant macht.“ /4
Alle Entwürfe eint der Grundsatz Möbel als Bestandteil der Architektur zu betrachten.
Für uns stellt sich nun die Herausforderung die Objekte in einem Raum zu vereinen. Sehen wir, ob das gelingt.
/1 Michelle Nicol in : Die Formaskese, Zeitschrift für Architektur und Design, Bd. 6, Heft 9, 1993
/2 vergl. Ferdinand Kramer, Der Charme des Systematischen, Gießen 1991, S. 265, Abb. 4
/3 Helga Leiprecht in: du, Die Zeitschrift für Kultur, Heft Nr.4, April 1995, S. 72
/4 Katsuhito Nishikawa, https://formformsuche.de/ausstellungen/katsuhito-nishikawa